Der Versuch den Atem anzuhalten
Klar alle wissen es schon längst. Nur der Schreiber soll es noch einmal sagen. Er soll etwas hinzufügen, womöglich Aufmerksamkeit wecken, und dabei steht außer Zweifel, dass man immer nur beobachtet, was man zu beobachten gewillt ist, und nicht, was ist. Der erste Blick!?
Wie verlängert man eigentlich diesen Wert des ersten Blickes?
Durch Wiederholung, durch Beschreibung, durch Abschweifung, durch Beeindruckung usw?
Möglicherweise durch das Hervorrufen einer weiteren Reaktion, wie Unterscheidung, Bemessen, Austauschen, Identifizierung, und das am gleichen Gegenstand. Auf der Suche nach dem Unterschiedlichen im Gleichen heißt, man muss etwas festhalten, um es verändern zu können. Ralph Kull vollzieht in seiner Arbeit diese Transformation durch Beschränkung. Eine solche Einengung oder Fixierung bewirkt eine Deformation und der dadurch entstandene Wechsel des Gegenstandes lässt einen unbegrenzt anderen sich bilden.
„Gerade die Nicht-Veränderung des Gegebenen erfordert eine Veränderung des Subjekts. Die Identität von irgend etwas, das Selbe verlangt etwas anderes als sich – selbst.“ (Paul Valéry)
Mir scheint, der Betrachter wird durch solche Bedingung in der Variabilität seiner Eindrücke gehemmt oder unterbrochen und hat gleichzeitig die Möglichkeit bewahrt, zu seinem Anfangsmoment zurückzukehren.
Betrachten schafft Bedingungen und ändert das Gewohnte.
Prof. Rolf Thiele
emeritierter Professor der Akademie für Künste, Bremen
Katalogtext zur Ausstellung Preis des Kunstverein Hannover, 1993