Poetische Gedankenspiele
1982 gehörte er zur ersten Generation der Villa-Minimo-Künstler in Hannover. Die Zeit danach verbrachte er dank Stipendien des Alexander-Dorner-Kreises und des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) vor allem in London und Paris.
Seit einem halben Jahr wohnt und arbeitet der 33jährige Maler Ralph Kull wieder in Hannover. ‚Dunkle Paradiese‘ nennt er die Ausstellung seiner neuesten Bilder in der Galerie Barz: Bilder, in denen er sich fast ausschließlich auf die Farbwerte zwischen Schwarz und Weiß beschränkt.
Der Bildgrund dieser zum Teil wandfüllenden Arbeiten (Tempera auf Nessel und Leinwand, Gouachen) wird von einem ätherisch wirkenden rauchigen Grau gebildet, auf dem schwarze und weiße sparsam gesetzte Symbole, Linien und geometrische Formen sich zu weiträumigen Kompositionen verbinden. Zeichen für Weg, Welle, menschliche Gestalt, Auge sowie Kreis-, Dreieck- und Viereckformen und Köpfe sind wiederkehrende Motive. Die Bilder sind rätselhaft, offen, auch ambivalent: eine Chiffre z. B. läßt sich als Fernsehantenne oder Waage interpretieren. Manche Figuren und Figurationen tauchen nur in weißen Umrissen auf und leuchten wie im Negativfilm aus grauem Grund hervor, andere erscheinen – angefüllt mit schwarzer Farbe – unauslotbar tief.
Kull hat die Malereien und einige wenige Objekte zu einer Rauminstallation angeordnet. Eine Wand in der sonst weißgetünchten Galerie ist im Grauton der Bilder gestrichen, mehrere übereinandergehängte Gouachen erinnern an einen Totempfahl, Objekte aus Pappmacheé und Klebestreifen auf dem Fußboden verleihen der Bildwelt Körperlichkeit.
Kull veranstaltet poetische Gedankenspiele (‚Uber Punkt Null‘, ‚Schwarzer Stein auf weißem Stein‘, ‚Traum der Wirklichkeit‘). Seine Arbeiten sind Meditationstafeln. Sie dokumentieren die subjektive Befindlichkeit des Malers, können aber beim Betrachter Assoziationsketten auslösen.
fro.
30. April 1987, Hannoversche Allgemeine
Rezension zur Ausstellung Dunkle Paradiese in der Galerie Barz, Hannover